Entdecken Sie, wie Sie die seltene Gefäßerkrankung erkennen und bestmöglich behandeln können
CADASIL – hinter diesem sperrigen Kürzel verbirgt sich eine seltene, aber folgenschwere Erkrankung der kleinen Blutgefäße im Gehirn. Betroffene leiden oft schon in jungen Jahren unter rätselhaften Symptomen wie Migräne, Depressionen und Schlaganfällen. Doch was genau ist CADASIL? Wie wird die Krankheit diagnostiziert und behandelt? Und was können Patienten selbst tun, um ihren Alltag zu meistern? Wir geben Antworten.
CADASIL auf einen Blick
- Seltene genetische Erkrankung der kleinen Hirnarterien
- Verursacht durch Mutation im NOTCH3-Gen
- Führt zu vorzeitigen Schlaganfällen, Demenz und neurologischen Ausfällen
- Prävalenz: ca. 2-5 pro 100.000 Einwohner
- Erstsymptome meist zwischen 30. und 50. Lebensjahr
- Diagnose durch MRT, Hautbiopsie und Gentest
- Behandlung symptomatisch, bisher keine Heilung möglich
Was versteht man unter CADASIL?
CADASIL steht für “Cerebral Autosomal Dominant Arteriopathy with Subcortical Infarcts and Leukoencephalopathy”. Übersetzt bedeutet das so viel wie “zerebrale autosomal-dominante Arteriopathie mit subkortikalen Infarkten und Leukenzephalopathie”.
Es handelt sich um eine seltene, genetisch bedingte Erkrankung der kleinen Arterien im Gehirn. Durch die Ablagerung eines fehlgefalteten Proteins kommt es zu einer fortschreitenden Schädigung der Gefäßwände. Dies führt zu einer chronischen Unterversorgung des Hirngewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen. Die Folge sind vielfältige neurologische Symptome.
Die häufigsten Symptome einer CADASIL
Die Beschwerden bei CADASIL entwickeln sich schleichend, nehmen im Verlauf aber an Intensität und Häufigkeit zu. Erste Anzeichen treten typischerweise zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auf. Dazu gehören:
- Migräne mit Aura (Sehstörungen, Kribbeln, Sprachstörungen)
- Wiederholte Schlaganfälle oder transitorische ischämische Attacken (TIA)
- Stimmungsschwankungen und Depressionen
- Kognitive Defizite wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
Im weiteren Verlauf kommen oft hinzu:
- Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen
- Blasenstörungen und erektile Dysfunktion
- Epileptische Anfälle
- Wesensveränderungen und Demenz
- Schluckstörungen mit Gefahr der Mangelernährung
- Lähmungen und Spastik
⚠️ Alarmsymptome für einen akuten Schlaganfall sind plötzliche Lähmungen, Gefühlsstörungen, Sehstörungen, Sprachstörungen und starke Kopfschmerzen. Zögern Sie in diesem Fall nicht, den Notruf 112 zu wählen!
Ursachen und Risikofaktoren von CADASIL
Ursache von CADASIL sind Mutationen im NOTCH3-Gen auf Chromosom 19. Dieses Gen enthält den Bauplan für den Notch3-Rezeptor, ein Protein, das für die normale Funktion der Gefäßmuskelzellen wichtig ist.
Durch den Gendefekt kommt es zu einer fehlerhaften Faltung des Notch3-Proteins. Es lagert sich als granuläres osmiophiles Material (GOM) an den Wänden der kleinen Arterien ab. Dadurch werden die Gefäße zunehmend geschädigt und verengt. Dies führt zu einer Unterversorgung des Gehirns.
CADASIL wird autosomal-dominant vererbt. Kinder eines betroffenen Elternteils haben eine 50%ige Wahrscheinlichkeit, die krankheitsverursachende Mutation zu erben. Allerdings ist der Schweregrad der Symptome auch innerhalb von Familien sehr variabel.
Neben der genetischen Veranlagung können auch Lebensstilfaktoren den Verlauf von CADASIL negativ beeinflussen:
- Bluthochdruck
- Zigarettenrauchen
- Diabetes mellitus
- Fettstoffwechselstörungen
- Übergewicht und Bewegungsmangel
Komplikationen und Warnzeichen erkennen
Im fortgeschrittenen Stadium kann CADASIL zu schwerwiegenden Komplikationen führen:
- Wiederholte Schlaganfälle mit bleibenden Behinderungen
- Vaskuläre Demenz mit Gedächtnisverlust und Persönlichkeitsveränderungen
- Epileptische Anfälle
- Mangelernährung und Aspirationspneumonie durch Schluckstörungen
- Thrombosen und Lungenembolien durch Immobilität
- Sturzbedingte Verletzungen wie Knochenbrüche
- Harnwegsinfekte durch Blasenentleerungsstörungen
Warnsymptome, die auf einen drohenden Schlaganfall hindeuten, sind:
- Plötzliche Lähmungen oder Gefühlsstörungen einer Körperhälfte
- Sehstörungen oder Doppelbilder
- Sprachstörungen oder verwaschene Sprache
- Heftige, ungewöhnliche Kopfschmerzen
- Schwindel mit Gangunsicherheit
- Bewusstseinstrübung bis hin zur Bewusstlosigkeit
🚨 Bei Verdacht auf einen akuten Schlaganfall muss sofort der Notruf 112 gewählt werden! Nur durch eine schnellstmögliche Behandlung lassen sich schwere Hirnschäden abwenden.
Wie wird CADASIL diagnostiziert?
Die Diagnose von CADASIL erfolgt meist erst nach einer jahrelangen Odyssee, da die Anfangssymptome sehr unspezifisch sein können. Nicht selten werden sie zunächst als Migräne, Burn-out oder Depression fehlgedeutet.
Um CADASIL zweifelsfrei festzustellen, ist eine Kombination verschiedener Untersuchungen nötig:
- Ausführliche Anamnese und Stammbaumerhebung
- Neurologische und neuropsychologische Untersuchung
- Magnetresonanztomographie (MRT) des Schädels: Nachweis typischer Veränderungen der weißen Hirnsubstanz
- Hautbiopsie: Nachweis von GOM in der Wand kleiner Hautarterien
- Molekulargenetische Untersuchung: Nachweis der NOTCH3-Mutation durch Bluttest
💡 Bei einer gesicherten CADASIL-Diagnose sollten auch gesunde Familienangehörige eine humangenetische Beratung und ggf. einen Gentest in Erwägung ziehen. So können möglicherweise noch symptomfreie Anlageträger identifiziert und frühzeitig behandelt werden.
Aktuelle Behandlungsmöglichkeiten
Bislang ist CADASIL nicht heilbar. Die Behandlung erfolgt daher rein symptomatisch mit dem Ziel, die Beschwerden zu lindern und Komplikationen zu verhindern.
Wichtige Therapiebausteine sind:
- Optimal eingestellter Bluthochdruck
- Konsequente Behandlung von Diabetes und Fettstoffwechselstörungen
- Nikotinverzicht und gesunder Lebensstil
- Medikamentöse Prophylaxe und Akuttherapie von Migräneattacken
- Antidepressive und verhaltenstherapeutische Behandlung von Depressionen
- Physiotherapie und Ergotherapie zur Förderung von Motorik und Alltagsfähigkeiten
- Logopädische Behandlung von Sprach- und Schluckstörungen
- Hilfsmittel zur Sturzprophylaxe und Erhaltung der Mobilität
- Medikamentöse Anfallsprophylaxe bei Epilepsie
- Blasen- und Darmmanagement bei Inkontinenz
- Schmerztherapie bei chronischen Schmerzen
- Psychosoziale Unterstützung für Patienten und Angehörige
🩺 Im Falle eines akuten Schlaganfalls ist eine sofortige Behandlung in einer spezialisierten Schlaganfalleinheit (Stroke Unit) erforderlich. Durch eine rasche Thrombolyse oder Thrombektomie lassen sich Folgeschäden minimieren.
Mit der richtigen Vorbeugung Komplikationen vermeiden
Auch wenn eine ursächliche Therapie bisher nicht möglich ist, können CADASIL-Betroffene einiges tun, um den Verlauf der Erkrankung günstig zu beeinflussen. Dazu gehört in erster Linie ein gesunder Lebensstil:
- Nicht rauchen
- Gesunde, ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkorn
- Regelmäßige Bewegung, am besten 30-60 min/Tag
- Normalgewicht anstreben (BMI 18,5-25 kg/m2)
- Stressbewältigung durch Entspannungstechniken wie Meditation
- Kognitives Training durch Gedächtnisspiele, Lesen oder Musizieren
- Regelmäßige Gesundheitschecks beim Hausarzt
- Konsequente Behandlung von Risikofaktoren wie Bluthochdruck
- Vorsicht bei der Einnahme von Hormonpräparaten und Migränemitteln
💊 Kopfschmerzmittel aus der Gruppe der Triptane und Ergotamine sollten bei CADASIL wegen des erhöhten Schlaganfallrisikos nach Möglichkeit gemieden werden. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über verträglichere Alternativen!
Fazit: Die Hoffnung nicht verlieren
Auch wenn CADASIL eine schwerwiegende Erkrankung ist, die das Leben der Betroffenen und ihrer Familien tiefgreifend verändert, gibt es durchaus Möglichkeiten, die Symptome zu kontrollieren und die Lebensqualität zu verbessern.
Voraussetzung dafür ist eine frühe Diagnose, eine individuell angepasste Behandlung und nicht zuletzt die aktive Mitarbeit der Patienten. Denn durch eine gesunde Lebensführung und regelmäßige ärztliche Kontrollen lässt sich das Fortschreiten von CADASIL verlangsamen.
Mindestens ebenso wichtig sind ein liebevolles soziales Umfeld und eine Portion Optimismus. Konzentrieren Sie sich auf die Dinge, die Sie trotz Ihrer Erkrankung tun und genießen können. Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen aus und scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Die Forschung zu CADASIL hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Neue Therapieansätze, wie die Hemmung des Notch3-Signalwegs, befinden sich in der Entwicklung und machen Hoffnung auf noch bessere Behandlungsmöglichkeiten. Bis es soweit ist, ist die richtige Einstellung entscheidend:
“Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.” (Johann Wolfgang von Goethe)
In diesem Sinne: Lassen Sie sich von CADASIL nicht entmutigen, sondern machen Sie das Beste aus Ihrer Situation. Mit der richtigen medizinischen Versorgung, einem starken Netzwerk und einer Portion Zuversicht können Sie es schaffen, die Erkrankung in Ihr Leben zu integrieren und dennoch glücklich zu sein.
Weiterführende Links:
- Deutsche CADASIL Selbsthilfegruppe: https://cadasil-selbsthilfe.de/
- European CADASIL Foundation: https://www.cadasil.eu/
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie: https://dgn.org/leitlinien/
Quellen:
- Chabriat H et al. Cadasil. Lancet Neurol 2009; 8(7):643-53. doi: 10.1016/S1474-4422(09)70127-9
- Mizuta I et al. New diagnostic criteria for cerebral autosomal dominant arteriopathy with subcortical infarcts and leukoencephalopathy (CADASIL). Stroke 2021; 52(3):1056-1063. doi: 10.1161/STROKEAHA.120.031343
- Opherk C et al. Long-term prognosis and causes of death in CADASIL: a retrospective study in 411 patients. Brain 2004; 127(Pt 11):2533-9. doi: 10.1093/brain/awh292