Alles, was Sie über Beckenbrüche wissen müssen, um schnell wieder aktiv zu werden.
Ein Beckenbruch kann jeden treffen – ob jung oder alt, ob durch einen Unfall oder eine Vorerkrankung. Plötzlich durchzuckt ein stechender Schmerz das Becken, jede Bewegung wird zur Qual. Die Angst, lange ans Bett gefesselt zu sein oder bleibende Schäden davonzutragen, ist groß. Doch keine Sorge: Mit der richtigen Behandlung und etwas Geduld lässt sich ein Beckenbruch in den meisten Fällen gut ausheilen.
In diesem Artikel erfahren Sie alles Wissenswerte über Beckenbrüche: Wie erkenne ich die Anzeichen? Welche Ursachen und Risikofaktoren gibt es? Wie erfolgt die Diagnose beim Arzt? Und welche Behandlungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung? Außerdem geben wir Ihnen wertvolle Tipps zur Vorbeugung von Beckenbrüchen und zur Vermeidung von Komplikationen. Nach der Lektüre dieses Beitrags sind Sie umfassend informiert und können im Ernstfall richtig reagieren.
Beckenbruch kompakt:
- Typische Symptome: Starke Schmerzen im Becken, Gehunfähigkeit, Fehlstellung des Beckens
- Häufige Ursachen: Stürze, Verkehrsunfälle, Osteoporose, Tumore
- Diagnose durch Anamnese, körperliche Untersuchung, Röntgen, CT oder MRT
- Behandlung abhängig vom Schweregrad: Schmerztherapie, Physiotherapie, Operation mit Osteosynthese oder endoprothetischem Ersatz
- Vorbeugung durch Sturzprophylaxe, Osteoporosetherapie und regelmäßige Bewegung
Was versteht man unter einem Beckenbruch?
Der Begriff “Beckenbruch” bezeichnet eine Fraktur eines oder mehrerer Knochen des Beckens. Das Becken setzt sich aus verschiedenen Knochen zusammen: dem Kreuzbein (Os sacrum), den beiden Hüftbeinen (Os coxae) mit Darmbein (Os ilium), Sitzbein (Os ischii) und Schambein (Os pubis) sowie dem Steißbein (Os coccygis). Je nach Lokalisation und Ausmaß des Bruchs unterscheidet man verschiedene Formen von Beckenbrüchen.
Einteilung der Beckenbrüche:
- Typ A: stabile Fraktur eines Beckenknochens ohne Unterbrechung des Beckenrings, z.B. Abrissfraktur eines Beckenkamms oder Sitzbeinhöckers
- Typ B: rotationsinstabile Fraktur mit einseitiger Unterbrechung des Beckenrings, z.B. vordere Beckenringfraktur mit hinterer Symphysensprengung
- Typ C: rotations- und vertikal instabile Fraktur mit beidseitiger Unterbrechung des Beckenrings, z.B. Kombination aus vorderer Schambeinastfraktur und hinterer Sakrumfraktur
Während Typ-A-Verletzungen oft konservativ behandelt werden können, erfordern Typ-B- und Typ-C-Frakturen in der Regel eine operative Stabilisierung, um Fehlstellungen und Folgeschäden zu vermeiden.
Hüftgelenknahe Beckenbrüche bei älteren Menschen mit Osteoporose werden als Fragilitätsfrakturen bezeichnet, da sie schon durch banale Stürze aus dem Stand oder niedrigen Höhen auftreten können.
Die häufigsten Anzeichen und Beschwerden bei einem Beckenbruch
Die Symptome eines Beckenbruchs können je nach Schweregrad und Lokalisation der Fraktur variieren. Häufige Anzeichen sind:
- Starke Schmerzen im Beckenbereich, die sich bei Belastung oder Bewegung verstärken
- Druckschmerz über dem betroffenen Beckenknochen
- Unfähigkeit zu stehen, zu gehen oder das Bein zu belasten
- Fehlstellung oder Verkürzung eines Beines
- Sichtbare Schwellung, Rötung oder Blutergüsse (Hämatome) im Becken- oder Leistenbereich
- Taubheitsgefühl oder Kribbeln im Genitalbereich, Gesäß oder Oberschenkel
- Blasen- oder Mastdarmstörungen wie Inkontinenz oder Verstopfung
Insbesondere bei älteren Menschen mit Osteoporose können die Beschwerden jedoch auch unspezifischer sein und beispielsweise als ziehende Leistenschmerzen oder Kreuzschmerzen fehlgedeutet werden.
Wenn Sie nach einem Unfall oder Sturz starke Schmerzen im Beckenbereich verspüren und nicht mehr auftreten können, begeben Sie sich unverzüglich in ärztliche Behandlung. Je früher ein Beckenbruch erkannt und therapiert wird, desto besser sind die Heilungsaussichten.
Wie kommt es zu einem Beckenbruch? Ursachen und Risikofaktoren
Die Ursachen für einen Beckenbruch sind vielfältig. Häufig sind es Unfälle oder Stürze mit großer Krafteinwirkung auf das Becken, beispielsweise:
- Stürze aus großer Höhe wie von einer Leiter oder einem Baugerüst
- Verkehrsunfälle als Fußgänger, Fahrradfahrer oder Insasse eines Pkw
- Sportunfälle beim Reiten, Skifahren oder Mountainbiken
- Gewalttätige Angriffe oder Schussverletzungen
Daneben können aber auch Vorerkrankungen des Knochens einen Beckenbruch begünstigen:
- Osteoporose (Knochenschwund) mit erhöhter Knochenbrüchigkeit
- Primäre Knochentumore wie das Osteosarkom oder das Chondrosarkom
- Knochenmetastasen bei Krebserkrankungen wie Brust-, Prostata- oder Lungenkrebs
- Chronisch-entzündliche Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis oder der systemische Lupus erythematodes
Als Risikofaktoren für einen Beckenbruch gelten:
- Höheres Lebensalter, insbesondere ab dem 50. Lebensjahr
- Weibliches Geschlecht, vor allem nach der Menopause
- Niedrige Knochendichte (Osteopenie/Osteoporose)
- Einnahme von Medikamenten, die den Knochenabbau fördern, z.B. Kortison oder Antiepileptika
- Bewegungsmangel und Immobilität
- Untergewicht oder Mangelernährung mit unzureichender Zufuhr von Kalzium und Vitamin D
- Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum
Wenn Sie zu einer Risikogruppe gehören, sollten Sie besonders auf Sturzprävention achten und regelmäßig Ihre Knochendichte kontrollieren lassen.
Welche Komplikationen können bei einem Beckenbruch auftreten?
Ein Beckenbruch ist eine schwerwiegende Verletzung, die nicht nur starke Schmerzen und eine lange Heilungszeit mit sich bringt, sondern auch lebensbedrohliche Komplikationen zur Folge haben kann. Dazu zählen:
- Blutverlust und Schock durch Verletzung größerer Blutgefäße wie der Arteria iliaca interna oder der Vena iliaca
- Infektionen durch offene Brüche oder während der Operation (Osteomyelitis, Wundinfektion)
- Thrombose und Lungenembolie durch verletzungsbedingte Immobilität
- Nervenschädigungen mit Sensibilitätsstörungen, Lähmungen oder neuropathischen Schmerzen
- Fehlverheilungen mit Verkürzung oder Verdrehung des Beines (Beinlängendifferenz, Rotationsfehlstellung)
- Posttraumatische Arthrose des Hüftgelenks oder der Iliosakralgelenke
- Harninkontinenz oder Stuhlinkontinez durch Schädigung des Beckenbodens
- Erektionsstörungen oder Unfruchtbarkeit bei Männern durch Verletzung der Nerven oder Blutgefäße
Um diese Komplikationen zu vermeiden oder frühzeitig zu erkennen, sind eine sorgfältige Überwachung, rasche Behandlung und intensive Rehabilitation unerlässlich. Bei Anzeichen wie zunehmenden Schmerzen, Fieber, Kurzatmigkeit oder Kribbeln in den Beinen informieren Sie bitte umgehend Ihren Arzt.
Wie wird ein Beckenbruch diagnostiziert? Untersuchungen beim Arzt
Wenn der Verdacht auf einen Beckenbruch besteht, wird der Arzt zunächst eine gründliche Anamnese erheben und Sie zu den Umständen des Unfalls, Ihren Beschwerden und Vorerkrankungen befragen. Anschließend erfolgt eine ausführliche körperliche Untersuchung, bei der auf Druckschmerz, Fehlstellungen, Schwellungen oder Lähmungen geachtet wird. Auch die Stabilität des Beckenrings wird vorsichtig überprüft.
Zur Sicherung der Diagnose und zur Beurteilung des Schweregrads werden bildgebende Verfahren eingesetzt:
- Röntgen des Beckens in mindestens zwei Ebenen (a.p. und seitlich) zum Nachweis von Frakturen und Fehlstellungen
- Computertomografie (CT) für detailliertere Schichtaufnahmen und zur Darstellung von Begleitverletzungen wie Organverletzungen oder Blutungen
- Magnetresonanztomografie (MRT) zur Beurteilung von Weichteilverletzungen wie Bänder, Sehnen, Muskeln oder Nerven
- Szintigrafie bei Verdacht auf ältere oder unvollständige Frakturen, die im Röntgen schwer erkennbar sind
Selten kann zusätzlich eine Blasen- oder Darmspiegelung notwendig sein, um Verletzungen der inneren Organe auszuschließen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei einem Beckenbruch?
Die Therapie eines Beckenbruchs richtet sich nach dem Typ und der Stabilität der Fraktur sowie nach dem Alter und Allgemeinzustand des Patienten. Grundsätzlich lassen sich zwei Behandlungsansätze unterscheiden:
- Konservative Therapie: Bei stabilen Brüchen ohne wesentliche Fehlstellung (Typ A) kann eine nichtoperative Behandlung ausreichen. Diese umfasst:
- Schmerzmedikamente wie Paracetamol, Opioide oder NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika)
- Kurzzeitige Bettruhe mit anschließender Mobilisation an Unterarmgehstützen
- Physiotherapie mit passiven Bewegungsübungen, Gangschulung und Muskelaufbautraining
- Ggf. Versorgung mit einer Beckenorthese zur Stabilisierung und Schmerzreduktion
- Operative Therapie: Instabile oder dislozierte Brüche (Typ B und C) erfordern in der Regel eine operative Reposition und Fixierung, um Fehlstellungen und Folgeschäden zu vermeiden. Mögliche OP-Verfahren sind:
- Osteosynthese mit Schrauben, Platten, Nägeln oder Drähten zur Stabilisierung des Beckenrings
- Minimalinvasive Verfahren wie die perkutane Schraubenosteosynthese oder die Navigation
- Externe Fixation mit einem Fixateur externe bei offenen oder komplexen Frakturen
- Endoprothetischer Gelenkersatz bei hüftgelenknahen Trümmerfrakturen oder vorbestehender Arthrose
- Beckenzwinge zur Erstversorgung bei kreislaufinstabilen Patienten mit schweren Blutungen
Nach der Operation sind eine frühzeitige Mobilisation und eine intensive physiotherapeutische Nachbehandlung entscheidend, um Komplikationen wie Thrombosen oder Muskelschwund zu vermeiden und die Belastbarkeit des Beckens wiederherzustellen. Je nach Schweregrad kann die Rehabilitation mehrere Monate in Anspruch nehmen.
Wie kann man einem Beckenbruch vorbeugen? Tipps zur Prävention
Die besten Beckenbrüche sind die, die gar nicht erst entstehen. Mit einigen einfachen Maßnahmen können Sie Ihr Risiko für Stürze und Knochenbrüche deutlich senken:
- Treiben Sie regelmäßig Sport, um Ihre Muskelkraft, Koordination und Knochendichte zu stärken. Besonders geeignet sind gelenkschonende Sportarten wie Schwimmen, Radfahren oder Wandern.
- Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Kalzium und Vitamin D. Gute Kalziumlieferanten sind Milchprodukte, Brokkoli oder Mineralwasser. Vitamin D wird durch Sonnenlicht gebildet oder kann als Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden.
- Lassen Sie ab dem 50. Lebensjahr regelmäßig Ihre Knochendichte messen und behandeln Sie eine Osteoporose konsequent mit Medikamenten, Bewegung und kalziumreicher Kost.
- Vermeiden Sie Stolperfallen in Ihrer Wohnung wie lose Teppiche, Kabel oder herumliegende Gegenstände. Bringen Sie rutschfeste Beläge und Handläufe an.
- Tragen Sie feste, flache Schuhe mit gutem Halt und verzichten Sie auf wackelige Absätze oder rutschige Sohlen.
- Gehen Sie bei Glatteis nur mit Spikes oder Grödel vor die Tür und streuen Sie Ihren Gehweg regelmäßig ab.
- Lassen Sie sich von Ihrem Arzt beraten, wenn Sie Medikamente einnehmen, die das Sturzrisiko erhöhen, z.B. Schlaf- oder Beruhigungsmittel, Antidepressiva oder Blutdrucksenker.
- Verzichten Sie auf das Rauchen und reduzieren Sie Ihren Alkoholkonsum. Beides schadet den Knochen und erhöht die Sturzgefahr.
Natürlich lassen sich trotz aller Vorsicht nicht alle Beckenbrüche verhindern. Aber mit der richtigen Vorbeugung können Sie das Risiko für sich und Ihre Angehörigen deutlich verringern.
Fazit und Ausblick
Ein Beckenbruch ist zweifellos ein einschneidendes Ereignis, das viel Kraft, Geduld und Zuversicht erfordert. Doch mit der richtigen Behandlung, einer konsequenten Rehabilitation und einer positiven Einstellung können Sie diese Herausforderung meistern und Ihre gewohnte Lebensqualität zurückgewinnen.
Scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe und Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Neben Ärzten, Pflegekräften und Physiotherapeuten gibt es auch Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen, die Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen aus, teilen Sie Ihre Erfahrungen und lernen Sie voneinander.
Denken Sie immer daran: Jeder noch so kleine Fortschritt bringt Sie Ihrem Ziel ein Stück näher. Feiern Sie Ihre Erfolge und lassen Sie sich von Rückschlägen nicht entmutigen. Mit der Zeit werden Sie spüren, wie Ihre Kraft und Ihr Selbstvertrauen wachsen und Sie Ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen können.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen von Herzen alles Gute auf Ihrem Weg zur Genesung. Bleiben Sie zuversichtlich, aktiv und gesund!
Weiterführende Informationen und Anlaufstellen:
- Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU): https://dgou.de/
- Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU): https://www.dgu-online.de/
- Kuratorium Knochengesundheit e.V.: https://www.knochengesundheit.de/
- Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e.V.: https://www.osteoporose-deutschland.de/
- Adressen von Selbsthilfegruppen in Ihrer Nähe: https://www.nakos.de/adressen/
Quellen:
- Tscherne H, Pohlemann T. Tscherne Unfallchirurgie: Becken und Acetabulum. Springer-Verlag; 2013. DOI: 10.1007/978-3-642-54687-4
- Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus – Lernatlas der Anatomie: Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. 5. Aufl. Thieme; 2018. ISBN: 9783132414785
- Niethard FU, Pfeil J, Biberthaler P. Duale Reihe Orthopädie und Unfallchirurgie. 8. Aufl. Thieme; 2017. ISBN: 9783132424288
- Schweiberer L, Sauerland S. Beckenringverletzungen. Chirurg 2005; 76:981–997. DOI: 10.1007/s00104-005-1086-y
- Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie: Beckenringverletzungen. AWMF-Registernummer 012-001. Stand: 30.06.2016. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/012-001.html