Akustikusneurinom: Symptome erkennen, Ursachen verstehen, Diagnose & Behandlung

Alles Wissenswerte zum gutartigen Tumor des Gleichgewichtsnervs

Ein Akustikusneurinom ist ein seltener, aber oft folgenreicher Tumor des Gleichgewichts- und Hörnervs. Viele Betroffene bemerken die Symptome erst spät und sind verunsichert, was die Diagnose bedeutet. Dieser Artikel liefert dir alle wichtigen Informationen zu Anzeichen, Ursachen, Untersuchungen und Therapiemöglichkeiten, damit du die Erkrankung besser verstehst und weißt, was du tun kannst.

Akustikusneurinom – Auf einen Blick

  • Gutartiger, langsam wachsender Tumor des VIII. Hirnnerven (Nervus vestibulocochlearis)
  • Wichtigste Symptome: Hörverlust, Tinnitus, Schwindel, Gangunsicherheit
  • Hauptursache: spontane Mutation im NF2-Gen, in seltenen Fällen erblich bedingt
  • Diagnose durch MRT, Hörtest und Gleichgewichtsuntersuchungen
  • Behandlung je nach Tumorgröße: regelmäßige Kontrollen, Strahlentherapie oder Operation

Was ist ein Akustikusneurinom?

Ein Akustikusneurinom, auch Vestibularisschwannom genannt, ist eine gutartige Geschwulst, die vom Hör- und Gleichgewichtsnerv ausgeht. Dieser Hirnnerv verläuft zusammen mit dem Gesichtsnerv im inneren Gehörgang zwischen Innenohr und Hirnstamm.

Das Neurinom wächst in der Regel sehr langsam, kann aber mit der Zeit auf umliegende Strukturen wie Hirnnerven oder den Hirnstamm selbst drücken und deren Funktion beeinträchtigen. In seltenen Fällen kann ein großer Tumor sogar lebensbedrohlich sein.

Häufigkeit und Vorkommen:

  • Betrifft ca. 1 von 100.000 Menschen pro Jahr
  • Kann in jedem Alter auftreten, Erkrankungsgipfel zwischen 40 und 60 Jahren
  • Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen
  • Etwa 95% der Tumore treten einseitig auf

Symptome eines Akustikusneurinoms

Die Beschwerden entwickeln sich meist schleichend und werden daher oft erst spät ernst genommen. Da der Tumor auf den Hör- und Gleichgewichtsnerv drückt, stehen folgende Symptome im Vordergrund:

  • Schwindel und Gangunsicherheit: Viele Betroffene klagen über wiederkehrende Schwindelattacken und Probleme, gerade zu laufen. Das Gleichgewichtssystem im Innenohr ist gestört.
  • Einseitiger Hörverlust: Durch den Druck auf den Hörnerv kommt es zu einer zunehmenden Hörminderung auf der betroffenen Seite. Anfangs fallen oft hohe Töne weg.
  • Tinnitus: Begleitend zum Hörverlust tritt häufig ein einseitiges Ohrgeräusch auf. Es wird als Pfeifen, Rauschen oder Summen wahrgenommen.
  • Druckgefühl im Ohr: Manche Patienten beschreiben ein dauerhaftes Völle- oder Druckgefühl im betroffenen Ohr.

Weitere mögliche Symptome:

  • Kribbeln, Taubheitsgefühl oder Lähmungen im Gesicht (durch Druck auf den Gesichtsnerv)
  • Kopfschmerzen
  • Sehstörungen, Doppelbilder (bei großen Tumoren)
  • Schluckbeschwerden, undeutliche Sprache (bei Hirnstamm-Kompression)

ℹ️ Nicht immer treten alle Symptome gleichzeitig auf. Oft stehen Schwindel und Hörstörungen im Vordergrund. Bei einseitigen Beschwerden sollte aber immer ein Akustikusneurinom in Betracht gezogen werden.

Ursachen und Risikofaktoren

In den meisten Fällen ist die genaue Ursache für die Entstehung eines Akustikusneurinoms unbekannt. Es gibt aber einige Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen können:

  • Spontane Genmutation: Bei fast allen sporadischen Fällen liegt eine spontane Veränderung im NF2-Gen vor. Dieses Gen produziert normalerweise das Protein Merlin, das das Zellwachstum hemmt. Durch die Mutation ist die Kontrollfunktion gestört.
  • Genetische Veranlagung: In sehr seltenen Fällen wird die NF2-Mutation vererbt. Menschen mit einer familiären Veranlagung entwickeln oft beidseitige Tumore im jüngeren Alter. Das Erkrankungsrisiko für Kinder von Betroffenen liegt bei 50%.
  • Vorbestrahlung des Kopfes: Eine Strahlentherapie im Kopfbereich, z.B. bei anderen Tumoren, kann das Risiko für ein strahleninduziertes Akustikusneurinom leicht erhöhen.

Ansonsten gibt es keine eindeutigen exogenen Risikofaktoren. Einen ursächlichen Zusammenhang mit Handystrahlung oder Umweltgiften konnte die Forschung bisher nicht belegen.

Komplikationen und Warnzeichen

Je größer das Akustikusneurinom wird, desto mehr Strukturen im Kleinhirnbrückenwinkel sind bedroht. Folgende Komplikationen können dabei auftreten:

  • Hirnnervenausfälle: Durch den Druck auf benachbarte Hirnnerven kommt es oft zu Störungen der Gesichtsmotorik und -sensibilität sowie zu Schluck- und Sprechproblemen.
  • Hydrocephalus: Ein großer Tumor kann den Abfluss des Hirnwassers aus dem IV. Ventrikel behindern. Der Rückstau führt zu einem Hydrocephalus (Wasserkopf) mit Hirndruck.
  • Hirnstamm-Kompression: In fortgeschrittenen Stadien drückt das Neurinom direkt auf den Hirnstamm, was lebensbedrohliche Atem- und Kreislaufstörungen zur Folge haben kann.

Anzeichen für Komplikationen, die eine Notfallbehandlung erfordern:

  • Plötzlich einschießende, heftige Kopfschmerzen
  • Anhaltende Übelkeit und Erbrechen
  • Zunehmende Bewusstseinstrübung
  • Störungen der Atmung oder Herztätigkeit

⚠️ Bei solch ausgeprägten Symptomen muss sofort eine Entlastung des Hirndrucks erfolgen, meist durch eine operative Tumorentfernung. Im Einzelfall kann auch eine Drainage oder ein Shunt zur Ableitung des Hirnwassers nötig sein.

Diagnose eines Akustikusneurinoms

Um ein Akustikusneurinom zweifelsfrei zu diagnostizieren, sind verschiedene Untersuchungen nötig, die der HNO-Arzt oder Neurologe veranlasst:

  1. Anamnese und klinische Untersuchung: Zunächst werden die Beschwerden erfragt und der HNO-Bereich sowie die Hirnnerven untersucht. Hörtests und Gleichgewichtsprüfungen geben erste Hinweise auf Art und Ort der Schädigung.
  2. Bildgebung: Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist der Goldstandard zum Nachweis eines Akustikusneurinoms. Sie zeigt die genaue Lage und Größe des Tumors sowie seine Beziehung zu den umliegenden Strukturen. Eine Kontrastmittelgabe verbessert oft die Beurteilbarkeit.
  3. Hördiagnostik: Ein Audiogramm erfasst das Ausmaß und die Art der Hörminderung auf der betroffenen Seite. Auch Methoden wie otoakustische Emissionen (OAE) oder Hirnstammaudiometrie (BERA) tragen zur Diagnosestellung bei.
  4. Elektronystagmographie: Mit dieser Methode werden die Augenbewegungen aufgezeichnet, während der Patient verschiedene Gleichgewichtsreize erfährt. So lassen sich Störungen des Gleichgewichtsorgans objektivieren.
  5. Feinnadel-Aspirationsbiopsie (FNAB): In seltenen unklaren Fällen kann eine Gewebeprobe aus dem Tumor entnommen und feingeweblich untersucht werden. Die FNAB kommt aber nur in Ausnahmefällen zum Einsatz.

ℹ️ Um den Tumor im Verlauf zu überwachen, sind regelmäßige MRT-Kontrollen nötig, anfangs alle 6 Monate, später jährlich. So lässt sich ein relevantes Wachstum rechtzeitig erkennen und behandeln.

Behandlung eines Akustikusneurinoms

Die Therapie richtet sich nach Größe und Symptomatik des Akustikusneurinoms sowie nach Alter und Gesundheitszustand des Patienten. Folgende Optionen stehen zur Verfügung:

  1. Beobachtendes Abwarten (“Wait and scan”): Kleine, asymptomatische Tumoren unter 2 cm können engmaschig kontrolliert werden. Solange kein relevantes Wachstum vorliegt und der Patient beschwerdefrei ist, kann auf eine Intervention verzichtet werden.
  2. Mikrochirurgische Tumorentfernung: Der operative Zugangsweg hängt von der Tumorgröße ab. Bei kleinen Neurinomen erfolgt die Entfernung oft über einen Zugang durch den Schädelknochen hinter dem Ohr. Größere Tumore erfordern eventuell eine Eröffnung der hinteren Schädelgrube.
  3. Stereotaktische Radiochirurgie: Mithilfe eines hochfokussierten Strahls wird der Tumor gezielt aus verschiedenen Richtungen bestrahlt. Diese schonende Methode kommt vor allem bei kleinen Akustikusneurinomen als Alternative zur OP in Betracht.
  4. Unterstützende Maßnahmen: Begleitend ist oft eine Hörrehabilitation durch Hörgeräte oder Implantate nötig. Auch Physiotherapie kann helfen, Schwindelprobleme und Gangunsicherheit zu verbessern. Eine psychologische Betreuung unterstützt bei der Krankheitsbewältigung.

ℹ️ Im Einzelfall muss immer individuell entschieden werden, welche Therapie die größten Vorteile bei geringstem Risiko bietet. Der informierte Patient sollte aktiv in diesen Entscheidungsprozess eingebunden sein.

Vorbeugung und Lebensweise

Da die Ursachen eines sporadischen Akustikusneurinoms unklar sind, gibt es leider keine sicheren Maßnahmen zur gezielten Vorbeugung. Menschen mit familiärer Veranlagung sollten sich aber genetisch beraten lassen und regelmäßige MRT-Kontrollen durchführen lassen.

Allgemein können folgende Punkte dazu beitragen, die Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern:

  • Konsequente Einnahme verordneter Medikamente gegen Schwindel und Übelkeit
  • Regelmäßige Physiotherapie und Gleichgewichtstraining
  • Konsequentes Tragen von Hörgeräten bzw. Nutzung anderer Hörhilfen
  • Stressabbau durch Entspannungsverfahren wie progressive Muskelrelaxation
  • Austausch mit anderen Betroffenen, z.B. in Selbsthilfegruppen
  • Psychologische Unterstützung bei der Bewältigung der Erkrankung

ℹ️ Mit der richtigen Behandlung und einer gesunden Lebensweise ist ein Akustikusneurinom heute oft gut zu kontrollieren. Viele Patienten können trotz der Diagnose weiter aktiv am Alltag teilhaben.

Fazit

Ein Akustikusneurinom stellt Betroffene vor große Herausforderungen. Doch mit dem nötigen Wissen und der richtigen Betreuung lässt sich die Erkrankung gut in den Griff bekommen. Scheuen Sie sich nicht, Ihre Beschwerden ärztlich abklären zu lassen und sich ausführlich über die Behandlungsmöglichkeiten zu informieren.

Tauschen Sie sich auch mit anderen Patienten aus und holen Sie sich Unterstützung, wo Sie sie brauchen. Mit der richtigen Einstellung können Sie trotz der Diagnose ein erfülltes Leben führen. Bleiben Sie zuversichtlich und geben Sie nicht auf!

Quellen und weiterführende Links:

5/5 - (2 votes)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert