ADHS erkennen: Die typischen Symptome, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten

Unaufmerksamkeit, Impulsivität, Hyperaktivität – erfahren Sie hier alles Wichtige über die Anzeichen einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung und wie Sie richtig damit umgehen.

Einleitung

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine der häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Doch auch Erwachsene können von den typischen Symptomen wie Konzentrationsschwäche, Unruhe und Impulsivität betroffen sein. Oft werden die Anzeichen einer ADHS nicht richtig erkannt oder mit anderen Verhaltensproblemen verwechselt.

In diesem Artikel erfahren Sie, was wirklich hinter der Diagnose ADHS steckt – angefangen bei den charakteristischen Symptomen und Ursachen über die ärztliche Diagnostik bis hin zu den verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten. Mit diesem Wissen sind Sie bestens gerüstet, um Betroffenen optimal zu unterstützen und ihnen ein weitgehend normales Leben zu ermöglichen.

ADHS auf einen Blick

  • ADHS ist eine neurobiologische Entwicklungsstörung, die sich durch Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität äußert
  • Typische Symptome sind u.a. Konzentrationsprobleme, innere Unruhe, Vergesslichkeit und Störungen der Impulskontrolle
  • Man geht von einer multifaktoriellen Entstehung aus, bei der genetische Veranlagung und Umweltfaktoren zusammenspielen
  • Zur Diagnose führt der Arzt ausführliche Gespräche und Tests durch und beobachtet das Verhalten über längere Zeit
  • Behandelt wird ADHS multimodal mit einer Kombination aus Medikamenten, Psychotherapie und Verhaltensübungen

Was versteht man unter ADHS?

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine psychische Störung, die erstmals im Kindesalter auftritt und bis ins Erwachsenenalter anhalten kann. Betroffene haben Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit zu steuern, Impulse zu kontrollieren und ihr Aktivitätsniveau situationsgerecht anzupassen.

ADHS ist keine Charakter- oder Erziehungsfrage, sondern eine neurobiologisch bedingte Funktionsstörung des Gehirns. Die Symptome beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit in Schule oder Beruf und führen oft zu Konflikten im sozialen Umfeld. Mit der richtigen Behandlung können Betroffene aber lernen, besser mit den Herausforderungen der ADHS umzugehen.

Die häufigsten Symptome einer ADHS

Die Kernsymptome einer ADHS sind Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Je nachdem, welche Symptome im Vordergrund stehen, unterscheidet man drei Erscheinungsformen:

  1. Vorwiegend unaufmerksamer Typ: Probleme mit Konzentration, Organisation und Ablenkbarkeit, ohne auffällige Hyperaktivität
  2. Vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Typ: Starker Bewegungsdrang, Ruhelosigkeit und mangelnde Impulskontrolle, ohne deutliche Aufmerksamkeitsstörung
  3. Kombinierter Typ: Gleichzeitiges Auftreten von Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität/Impulsivität

Zu den typischen Anzeichen einer ADHS zählen:

  • Konzentrationsschwäche, leichte Ablenkbarkeit
  • Vergesslichkeit, Schwierigkeiten mit Organisation und Zeitmanagement
  • Starke innere Unruhe, Zappeligkeit
  • Übermäßige motorische Aktivität, ständiges Herumlaufen
  • Ungeduld, Schwierigkeiten beim Warten
  • Impulsives Verhalten, vorschnelles Handeln ohne Nachzudenken
  • Stimmungsschwankungen, geringe Frustrationstoleranz
  • Geräusch- und Lichtempfindlichkeit

Weitere ADHS Symptome und Anzeichen sind:

  • Unaufmerksamkeit im Detail, Flüchtigkeitsfehler
  • Schwierigkeiten, aufmerksam zu sein
  • Gedankenabwesenheit, Schwierigkeiten beim Zuhören
  • Probleme, Aufgaben zu erledigen
  • Vermeidung von Tätigkeiten, die länger dauernde Aufmerksamkeit erfordern
  • Desorganisiertes Arbeits- und Zeitmanagement
  • Verlieren von Gegenständen
  • Ablenkbarkeit
  • Vergesslichkeit im Alltag
  • Zappeligkeit, Herumrutschen mit Händen und Füßen
  • Schwierigkeiten, ruhig sitzen zu bleiben
  • Übermäßiges Herumlaufen oder Klettern
  • Unfähigkeit, sich ruhig zu beschäftigen
  • Inneres Gefühl der Ruhelosigkeit, ständig “auf dem Sprung” sein
  • Lautes Spielen, übertriebene Gesprächigkeit
  • Herausplatzen mit Antworten, bevor die Frage zu Ende gestellt wurde
  • Probleme, abzuwarten und sich an Gesprächen oder Spielen zu beteiligen
  • Unterbrechung und Störung anderer

Die Symptome einer ADHS können individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein und sich im Laufe der Entwicklung verändern. Nicht jedes unruhige oder unkonzentrierte Kind hat automatisch eine ADHS!

Ursachen und Risikofaktoren für ADHS

Die genauen Ursachen für die Entstehung einer ADHS sind bislang nicht vollständig geklärt. Experten gehen von einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren aus:

  • Genetische Veranlagung: ADHS hat eine starke erbliche Komponente. Kinder von Eltern mit ADHS haben ein deutlich erhöhtes Risiko, ebenfalls zu erkranken.
  • Störungen im Botenstoffsystem des Gehirns: Bei ADHS liegt oft ein Ungleichgewicht der Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin vor, die eine zentrale Rolle bei der Aufmerksamkeitssteuerung spielen.
  • Hirnstrukturelle Veränderungen: Bildgebende Verfahren zeigen bei ADHS-Patienten häufig Auffälligkeiten in Hirnregionen, die für Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Handlungsplanung zuständig sind.
  • Umweltfaktoren: Einige Umwelteinflüsse wie Alkohol- oder Nikotinkonsum in der Schwangerschaft, Frühgeburtlichkeit oder psychosozialer Stress können das ADHS-Risiko zusätzlich erhöhen.

Entgegen mancher Mythen wird ADHS nicht durch Erziehungsfehler, falsche Ernährung oder zu viel Medienkonsum verursacht. Diese Faktoren können die Symptome allenfalls verstärken, sind aber nicht ursächlich für die Entstehung der Störung.

Mögliche Folgen und Komplikationen

Wird eine ADHS nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, kann sie vielfältige negative Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben:

  • Schulische und berufliche Probleme: Konzentrationsstörungen und Impulsivität führen oft zu Leistungsproblemen und Misserfolgen in Ausbildung und Beruf.
  • Soziale Schwierigkeiten: Das störende Verhalten macht es ADHS-Patienten schwer, Freundschaften zu schließen und zu halten.
  • Geringes Selbstwertgefühl: Die ständigen Rückschläge und das Gefühl, “anders” zu sein, beeinträchtigen das Selbstbild.
  • Unfallgefahr: Hyperaktivität und mangelnde Impulskontrolle erhöhen das Risiko für Unfälle und Verletzungen.
  • Substanzmissbrauch: ADHS-Betroffene neigen häufiger zu riskantem Verhalten wie Alkohol- oder Drogenmissbrauch.

Auch Begleiterkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Tic-Störungen oder Schlafprobleme treten oft gemeinsam mit ADHS auf und können den Leidensdruck zusätzlich verstärken. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung ist daher entscheidend, um Folgeschäden zu vermeiden und Betroffenen ein erfülltes Leben zu ermöglichen.

Ärztliche Diagnostik bei Verdacht auf ADHS

Um eine ADHS zuverlässig zu diagnostizieren, reicht ein einzelner Test nicht aus. Stattdessen führt der Arzt oder Psychotherapeut eine ausführliche Untersuchung durch, bei der er verschiedene Informationsquellen heranzieht:

  • Klinisches Interview: In Gesprächen mit Betroffenen und Bezugspersonen werden die Symptome und ihre Auswirkungen im Alltag erfragt.
  • Fragebögen und Verhaltensbeobachtung: Standardisierte Fragebögen und Beurteilungsskalen geben Aufschluss über Art und Schwere der Symptomatik. Auch Berichte aus Schule oder Kindergarten werden einbezogen.
  • Körperliche Untersuchung: Ein körperlicher Check dient dem Ausschluss organischer Ursachen, z.B. einer Schilddrüsenüberfunktion.
  • Psychologische Testung: Mit speziellen Tests werden Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und andere kognitive Funktionen überprüft.

Eine verlässliche Diagnose ist nur möglich, wenn die Symptome über mindestens 6 Monate bestehen, in mehr als zwei Lebensbereichen auftreten und der Lebensqualität deutlich beeinträchtigen.

Behandlungsmöglichkeiten bei ADHS

Für die Behandlung einer ADHS hat sich ein multimodales Vorgehen bewährt, das medikamentöse, psychotherapeutische und pädagogische Ansätze kombiniert:

1. Medikamente

  • Mittel der ersten Wahl sind Stimulanzien wie Methylphenidat, die den Botenstoffhaushalt im Gehirn regulieren und so die Aufmerksamkeit verbessern und die Impulsivität verringern.
  • Bei Unverträglichkeit oder Unwirksamkeit können auch Nicht-Stimulanzien wie Atomoxetin oder Guanfacin zum Einsatz kommen.
  • Eine individuell angepasste medikamentöse Einstellung unter ärztlicher Kontrolle ist entscheidend für den Behandlungserfolg.

2. Psychotherapie

  • Mithilfe von Verhaltenstherapie lernen Betroffene, ihre ADHS-Symptome besser zu steuern, Konzentrationstechniken anzuwenden und soziale Kompetenzen auszubauen.
  • Auch Elterntrainings, bei denen ein positiver Umgang mit den Symptomen eingeübt wird, sind ein wichtiger Baustein.
  • Eine Psychotherapie hilft zudem beim Abbau von Begleiterkrankungen und der Stärkung des Selbstwertgefühls.

3. Nicht-medikamentöse Verfahren

  • Aktivierende Verfahren wie Sport und Bewegung haben einen regulierenden Einfluss auf die Symptomatik und sollten fest in den Alltag integriert werden.
  • Entspannungsmethoden wie Yoga oder Achtsamkeitsübungen können helfen, innere Unruhe abzubauen und die Konzentration zu verbessern.
  • Auch spezielle Ernährungsstrategien oder die Gabe von Mikronährstoffen wie Omega-3-Fettsäuren können in Einzelfällen die Symptome positiv beeinflussen.

Welche Behandlung im individuellen Fall am besten geeignet ist, hängt von verschiedenen Faktoren wie Alter, Schwere der Symptomatik und Begleiterkrankungen ab. Eine schrittweise Anpassung der Therapie ist oft nötig.

ADHS im Alltag: Praktische Tipps für Betroffene

Neben einer professionellen Behandlung können auch einige Alltagsstrategien helfen, besser mit den Herausforderungen der ADHS umzugehen:

  • Struktur und Routinen: Ein gut strukturierter Tagesablauf mit festen Zeiten für Mahlzeiten, Hausaufgaben und Freizeit gibt Halt und Orientierung.
  • Reizarme Umgebung: Ein aufgeräumter, ablenkungsarmer Arbeitsplatz erleichtert die Konzentration auf das Wesentliche.
  • Überschaubare Aufgaben: Große Vorhaben in kleine, konkrete Teilschritte aufzuteilen macht sie weniger überfordernd.
  • Pausen und Ausgleich: Regelmäßige Bewegungs- und Erholungspausen sind wichtig, um neue Energie zu tanken.
  • Stärken fördern: Die Konzentration auf Dinge, die leicht fallen und Freude bereiten, stärkt das Selbstvertrauen.
  • Verständnis und Geduld: Betroffene sollten sich nicht für ihre Symptome verurteilen, sondern liebevoll mit sich umgehen. Auch das Umfeld sollte die Herausforderungen einer ADHS mit Verständnis und Geduld begegnen.

Fazit

ADHS ist eine komplexe Entwicklungsstörung, die das Leben von Kindern und Erwachsenen nachhaltig beeinflussen kann. Die typischen Symptome wie Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität haben vielfältige Auswirkungen auf Leistungsfähigkeit, Beziehungen und Wohlbefinden.

Doch mit der richtigen Behandlung und Unterstützung ist ein gutes Leben mit ADHS möglich. Eine frühzeitige Diagnose durch erfahrene Fachleute ist der erste Schritt, um die individuell passende Therapie einzuleiten. Die Kombination aus Medikamenten, Psychotherapie und Alltagsstrategien hilft Betroffenen, ihre Stärken zu entfalten und ihr volles Potenzial auszuschöpfen.

Die wichtigste Botschaft lautet: Niemand muss eine ADHS allein bewältigen. Scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Mit der richtigen Unterstützung können Sie lernen, die Herausforderungen der ADHS anzunehmen und zu meistern.

Quellenverzeichnis

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