Bulimie verstehen: Symptome, Ursachen, Diagnose und Behandlung

Wie Sie die Essstörung erkennen und was Sie dagegen tun können

Leiden Sie unter ständigen Heißhungerattacken gefolgt von Erbrechen oder exzessivem Sport? Dann könnte es sein, dass Sie an Bulimie erkrankt sind. In diesem Artikel erfahren Sie alles Wichtige über diese Essstörung – von den typischen Anzeichen über mögliche Auslöser bis hin zu wirksamen Therapien. Wir geben Ihnen wertvolle Tipps, wie Sie Bulimie vorbeugen und sich Schritt für Schritt davon befreien können.

Bulimie auf einen Blick

  • Bulimie ist eine Essstörung, die durch Essanfälle mit anschließendem Erbrechen gekennzeichnet ist
  • Zu den Hauptsymptomen zählen Heißhunger, selbstinduziertes Erbrechen, exzessiver Sport und Abführmittelmissbrauch
  • Die Ursachen sind vielfältig und reichen von genetischer Veranlagung über Persönlichkeitsmerkmale bis hin zu Schlankheitsidealen
  • Unbehandelt kann Bulimie zu schweren körperlichen und psychischen Folgen wie Mangelernährung oder Depressionen führen
  • Die Diagnose erfolgt durch ausführliche Gespräche und körperliche Untersuchungen beim Arzt
  • Die Behandlung besteht aus Psychotherapie, Ernährungsberatung und symptomatischen Maßnahmen
  • Vorbeugen lässt sich Bulimie durch ein gesundes Körperbild, Stressbewältigung und Verzicht auf Diäten

Was genau ist Bulimie?

Bulimie, auch Bulimia nervosa genannt, ist eine ernsthafte Essstörung. Betroffene leiden unter regelmäßigen Essanfällen, bei denen sie in kurzer Zeit große Mengen an Nahrung zu sich nehmen. Aus Angst vor einer Gewichtszunahme ergreifen sie anschließend Maßnahmen, um die aufgenommenen Kalorien wieder loszuwerden – meist durch selbstinduziertes Erbrechen, exzessiven Sport oder die Einnahme von Abführmitteln und Entwässerungstabletten.

Typisch für Bulimie ist ein extrem negatives Körperbild und übertriebene Schlankheitsbestrebungen. Die Erkrankung geht häufig mit schweren seelischen und körperlichen Folgen einher. Viele Betroffene empfinden tiefe Scham- und Schuldgefühle und ziehen sich immer mehr zurück.

Bulimie kann JEDEN treffen – unabhängig von Alter und Geschlecht! Auch wenn überwiegend junge Frauen betroffen sind, kommen Essstörungen zunehmend auch bei Männern und älteren Menschen vor.

Die häufigsten Symptome einer Bulimie

  • Essanfälle: Betroffene verschlingen in kürzester Zeit enorme Mengen an meist hochkalorischen Lebensmitteln. Sie empfinden dabei einen Kontrollverlust und können nicht aufhören zu essen.
  • Erbrechen: Nach den Heißhungerattacken versuchen viele, die Kalorien durch selbstinduziertes Erbrechen wieder loszuwerden. Manche entwickeln dabei regelrechte “Brechroutinen”.
  • Exzessiver Sport: Extremes Ausmaß an körperlicher Betätigung, um Kalorien zu verbrennen und ein Zunehmen zu verhindern. Teils wird bis zur totalen Erschöpfung trainiert.
  • Medikamentenmissbrauch: Die Einnahme von Abführmitteln, Appetitzüglern oder Entwässerungstabletten ist weit verbreitet. Betroffene erhoffen sich davon Gewichtsabnahme oder schnellere Darmentleerung.
  • Labiles Selbstwertgefühl: Bulimie-Patienten definieren ihren Selbstwert häufig über Figur und Gewicht. Sie sind sehr selbstkritisch und empfinden sich als “zu fett” – trotz Normalgewicht.
  • Gestörtes Essverhalten: Viele entwickeln ein angespannt-kontrolliertes Verhältnis zum Essen mit strengen Regeln und Verboten. Typisch sind Diäten, langes Fasten oder heimliches Essen.
  • Sozialer Rückzug: Aus Scham über die Essstörung ziehen sich viele Betroffene immer mehr zurück. Sie meiden gemeinsame Mahlzeiten und haben kaum noch soziale Kontakte.

Mögliche Ursachen und Risikofaktoren für Bulimie

Die Entstehung einer Bulimie ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Zu den häufigsten Ursachen und Risikofaktoren zählen:

  • Genetik: Studien zeigen, dass eine erbliche Veranlagung das Risiko für Bulimie erhöht. In manchen Familien treten gehäuft Essstörungen auf.
  • Persönlichkeit: Bestimmte Charakterzüge wie Perfektionismus, geringes Selbstwertgefühl und Impulsivität begünstigen die Entstehung einer Bulimie.
  • Psychische Erkrankungen: Viele Bulimie-Patienten leiden auch unter Depressionen, Ängsten oder Zwangsstörungen. Die Essstörung kann ein Versuch sein, mit diesen Problemen umzugehen.
  • Traumatische Erlebnisse: Missbrauch, Vernachlässigung oder der Verlust nahestehender Menschen in der Kindheit erhöhen das Bulimie-Risiko. Auch Mobbing oder Trennungen können Auslöser sein.
  • Gesellschaftlicher Druck: In unserer Gesellschaft herrscht ein extremer Schlankheitskult. Über die Medien werden meist nur perfekte, sehr dünne Körper präsentiert. Viele entwickeln dadurch ein gestörtes Körperbild.
  • Diäten und Fasten: Häufige und radikale Diätversuche stören die natürliche Regulation des Essverhaltens. Sie erhöhen die Anfälligkeit für Essanfälle und kompensatorisches Verhalten.
  • Leistungssport: Bei Sportarten wie Turnen, Eiskunstlauf oder Langstreckenlauf herrscht ein enormer Druck dünn zu sein. Athleten haben ein stark erhöhtes Risiko für Bulimie.

Mögliche Komplikationen und deren Anzeichen

Bulimie kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. Durch das häufige Erbrechen und die Mangelernährung leidet der gesamte Körper. Mögliche Komplikationen sind:

  • Zahnschäden durch die Säure des Erbrochenen
  • Speiseröhrenentzündung aufgrund des wiederholten Erbrechens
  • Magenprobleme mit Sodbrennen, Verstopfung oder Durchfall
  • Nährstoffmangel bis hin zur lebensbedrohlichen Unterernährung
  • Hormonstörungen mit Ausbleiben der Periode oder Libidoverlust
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzrhythmusstörungen oder Bluthochdruck
  • Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen als psychische Folgen
  • Suchtgefahr und Selbstverletzung als mögliche Begleiterkrankungen

WARNSIGNALE einer Bulimie im fortgeschrittenen Stadium sind extreme Gewichtsschwankungen, häufiges Verschwinden nach dem Essen (zum Erbrechen), stark geschwollene Speicheldrüsen, Mundgeruch, Zahnschmelzschäden und immer wiederkehrende Magen-Darm-Beschwerden.

Essstoerung

Ärztliche Diagnostik: Untersuchungen und Tests

Wenn Sie den Verdacht haben an Bulimie zu leiden, ist es wichtig zeitnah einen Arzt aufzusuchen. Dieser wird ein ausführliches Gespräch mit Ihnen führen und Sie gründlich untersuchen. Folgende Schritte sind bei der Diagnostik üblich:

  1. Anamnese: In einem intensiven Gespräch wird der Arzt alle wichtigen Informationen zu Ihren Beschwerden, Essgewohnheiten, Vorerkrankungen und der Familiengeschichte erfragen.
  2. Psychodiagnostik: Mit Hilfe von speziellen Fragebögen und strukturierten Interviews erfasst der Arzt die psychischen Symptome der Bulimie und klärt mögliche Begleiterkrankungen ab.
  3. Körperliche Untersuchung: Eine gründliche Untersuchung von Kopf bis Fuß gibt Aufschluss über den Allgemein- und Ernährungszustand. Der Arzt achtet besonders auf äußerliche Anzeichen der Bulimie.
  4. Labor: Bluttests dienen dazu, ernährungsbedingte Mangelzustände und Organschäden frühzeitig zu erkennen. Häufig werden Blutzucker, Elektrolyte, Leber- und Nierenwerte sowie das Blutbild kontrolliert.
  5. EKG und Ultraschall: Zur Beurteilung der Herzfunktion und möglicher Schäden der Speiseröhre oder des Magens kommen EKG und Ultraschall zum Einsatz.

Nach Diagnosestellung ist es wichtig, dass Sie sich in Behandlung begeben. Je früher eine Bulimie erkannt und therapiert wird, desto besser sind die Heilungschancen!

Übersicht der Behandlungsmöglichkeiten

Die Therapie der Bulimie ist langwierig und erfordert viel Geduld. Im Mittelpunkt steht eine ambulante Psychotherapie, um die seelischen Ursachen der Essstörung zu bearbeiten. Ergänzend sind eine Ernährungsberatung zum Erlernen eines gesunden Essverhaltens und Entspannungsverfahren sinnvoll. Bei schweren Verläufen kann auch eine stationäre Behandlung mit intensiver psychotherapeutischer und internistischer Betreuung nötig sein.

Folgende Therapieformen haben sich bei Bulimie bewährt:

  • Kognitive Verhaltenstherapie: Hier lernen Sie, Essanfälle zu kontrollieren, negative Gedanken zu hinterfragen und Selbstwert unabhängig von Figur und Gewicht aufzubauen.
  • Familientherapie: Gerade bei jüngeren Patienten ist es wichtig, die Familie in die Behandlung einzubeziehen. Gemeinsam werden Konflikte bearbeitet und ein gesundes Familienklima geschaffen.
  • Körperorientierte Therapie: Durch Körper- und Bewegungsübungen lernen Betroffene, ein positiveres Verhältnis zu sich und ihrem Körper zu entwickeln.
  • Ernährungstherapie: Eine Ernährungsberatung hilft dabei, rigid-chaotische Muster im Essverhalten aufzulösen und eine ausgewogene, genussvolle Ernährung zu etablieren.
  • Medikamente: Begleitend zu Psychotherapie können Antidepressiva aus der Gruppe der SSRIs sinnvoll sein, um Heißhunger und Erbrechen zu reduzieren. Sie ersetzen aber keine “Sprechstunden-Therapie”!

Tipps zur Vorbeugung im Alltag

Um einer Bulimie vorzubeugen, ist es wichtig, frühzeitig ein positives Körpergefühl und gesunde Ernährungsgewohnheiten zu entwickeln. Folgende Tipps können Ihnen dabei helfen:

  • Akzeptieren Sie Ihren Körper: Lernen Sie, Ihren Körper so anzunehmen wie er ist – mit all seinen Stärken und Schwächen. Pflegen Sie einen liebevollen Umgang mit sich selbst.
  • Stärken Sie Ihr Selbstwertgefühl: Machen Sie sich bewusst, dass Ihr Wert als Mensch nicht von Figur oder Gewicht abhängt. Fokussieren Sie sich auf Ihre Fähigkeiten, Talente und Charakterstärken.
  • Essen Sie regelmäßig und ausgewogen: Bringen Sie Struktur in Ihren Essalltag mit festen Mahlzeiten. Hören Sie auf Ihr Hunger- und Sättigungsgefühl. Genießen Sie Ihr Essen – ohne Reue!
  • Vermeiden Sie Diäten: Radikale Schlankheitskuren erhöhen das Risiko für Essanfälle. Versuchen Sie lieber, Ihre Ernährung langfristig umzustellen und auf ausgewogene, vollwertige Kost zu setzen.
  • Finden Sie einen Ausgleich zum Stress: Stress ist ein häufiger Auslöser für Essanfälle. Sorgen Sie durch Sport, Hobbys oder Zeit mit Freunden für regelmäßige Entspannung.
  • Holen Sie sich Hilfe: Wenn Sie merken, dass Sie in ein Muster von Essanfällen und Erbrechen rutschen, suchen Sie sich frühzeitig Unterstützung – z.B. bei einer Beratungsstelle für Essstörungen.

WICHTIG: Niemand ist vor einer Essstörung gefeit! Kultivieren Sie deshalb von klein auf ein positives Körperbild in der Familie. Fördern Sie die Selbstakzeptanz Ihrer Kinder und vermeiden Sie abwertende Kommentare über Figur und Gewicht.

Fazit

Bulimie ist eine ernsthafte Erkrankung, die mit hohem Leidensdruck einhergeht. Betroffene durchleben einen quälenden Kreislauf aus Essanfällen und Maßnahmen zur Kompensation. Langfristig drohen massive körperliche und seelische Folgen – von Mangelerscheinungen über Organschäden bis hin zu Depressionen. Umso wichtiger ist es, die Essstörung frühzeitig zu erkennen und fachgerecht zu behandeln. Mit Psychotherapie, Ernährungsumstellung und einem liebevollen Verhältnis zu sich selbst, können Betroffene die Bulimie überwinden und zu einem entspannten Essverhalten zurückfinden. Der Weg ist nicht leicht, aber er lohnt sich!

Sie leiden unter Heißhungerattacken und anschließendem Erbrechen? Dann scheuen Sie sich nicht Hilfe anzunehmen! Es gibt viele professionelle Anlaufstellen, die Sie auf Ihrem Weg aus der Bulimie unterstützen:

  • Hausarzt: Wenden Sie sich zunächst an Ihren Hausarzt. Er kann eine erste Einschätzung geben, die Diagnose stellen und Sie an Spezialisten überweisen.
  • Psychotherapeuten: Ein Psychotherapeut mit Erfahrung im Bereich Essstörungen ist der wichtigste Ansprechpartner bei Bulimie. Er begleitet Sie engmaschig und unterstützt Sie dabei, die psychischen Ursachen der Erkrankung aufzuarbeiten.
  • Ernährungsberater: Ernährungsfachkräfte helfen Ihnen, Ihr Essverhalten Schritt für Schritt umzustellen und eine gesunde Beziehung zum Essen aufzubauen. Sie geben praktische Tipps für den Alltag.
  • Kliniken: Bei schweren Krankheitsverläufen mit drastischer Mangelernährung oder psychiatrischen Begleiterkrankungen kann ein stationärer Aufenthalt sinnvoll sein. Spezielle Fachkliniken bieten intensive therapeutische und medizinische Betreuung.
  • Beratungsstellen: Ambulante Beratungsstellen für Essstörungen bieten schnelle und unkomplizierte Unterstützung – auch für Angehörige. Hier finden Sie Informationen, Einzelberatung oder Gruppenangebote.
  • Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann sehr entlastend sein. In Selbsthilfegruppen treffen Sie auf Menschen, die Ähnliches durchmachen und gegenseitig Verständnis und Ermutigung schenken.

Scheuen Sie sich nicht, diese Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Je früher Sie sich Unterstützung holen, desto schneller finden Sie einen Weg aus der Essstörung. Sie müssen die Bulimie nicht alleine durchstehen! Mit der richtigen Behandlung und der Kraft, die in Ihnen steckt, können Sie es schaffen die Krankheit hinter sich zu lassen. Geben Sie nicht auf, auch wenn es Rückschläge gibt. Jeder noch so kleine Fortschritt bringt Sie Ihrem Ziel näher: Ein Leben frei von Heißhunger, Erbrechen und Selbstzweifeln – ein Leben, das wieder leicht und lebenswert ist!

Quellen:

  1. Deutsche Gesellschaft für Essstörungen (DGESS): S3-Leitlinie “Diagnostik und Therapie der Essstörungen”, Stand 2018, https://www.dgess.de/leitlinien-guidelines/leitlinien/ (Zugriff am 09.09.2024)
  2. Bundesfachverband Essstörungen e.V. (BFE): “Bulimia nervosa – Eine Übersicht”, https://bundesfachverbandessstoerungen.de/essstoerungen/bulimia-nervosa/ (Zugriff am 09.09.2024)
  3. Deutsches Ärzteblatt: “Essstörungen – Diagnose und Therapie”, Ausgabe 2/2022, S. 83-89
  4. Herpertz, S., de Zwaan, M., & Zipfel, S. (Hrsg.): “Handbuch Essstörungen und Adipositas”, 2. Auflage, Springer-Verlag, 2019
  5. Murphy, R., Straebler, S., Cooper, Z., & Fairburn, C.G.: “Cognitive behavioral therapy for eating disorders”, Psychiatric Clinics of North America, 2010, 33(3), 611-627
  6. National Eating Disorders Association (NEDA): “Bulimia Nervosa”, https://www.nationaleatingdisorders.org/learn/by-eating-disorder/bulimia (Zugriff am 09.09.2024)
  7. Rushford, N.: “Conquering bulimia nervosa”, Australian Family Physician, 2006, 35(11), 900-904
  8. Westenhöfer, J.: “Anorexia und Bulimia nervosa: Auswirkungen, Risikofaktoren und Prävention”, Psychotherapeut, 2001, 46, 370-377
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