Alles, was Sie über das häufige Hormonstörungssyndrom wissen müssen
Androgenisierung – ein Blick hinter die Kulissen
Leiden Sie unter ungewolltem Haarwachstum im Gesicht, hartnäckiger Akne trotz Behandlung oder Zyklusunregelmäßigkeiten mit ausbleibender Periode? Dann könnten Sie von einer Androgenisierung, auch Androgenüberschuss-Syndrom genannt, betroffen sein – einer Überproduktion männlicher Hormone im weiblichen Körper. In diesem Artikel erfahren Sie alles Wissenswerte über Anzeichen und Symptome der Androgenisierung, häufige Ursachen wie PCOS, Diagnosemöglichkeiten beim Frauenarzt und medikamentöse sowie natürliche Behandlungsoptionen. Mit den richtigen Informationen und etwas Unterstützung lässt sich der Alltag mit Androgenisierung gut meistern. Lesen Sie weiter und machen Sie den ersten Schritt!
Androgenisierung auf einen Blick
- Häufigste hormonelle Störung bei Frauen im gebärfähigen Alter
- Gekennzeichnet durch erhöhte Androgenspiegel (männliche Geschlechtshormone)
- Typische Symptome: Hirsutismus (vermehrte Körperbehaarung), Akne, Alopezie (Haarausfall), Zyklusstörungen, Seborrhö (fettige Haut)
- Ursachen: PCOS (Polyzystisches Ovarsyndrom), adrenale Hyperplasie (Nebennierenüberfunktion), Tumoren, Medikamente
- Diagnostik durch Anamnese, Hormonbestimmung im Blut, Ultraschall der Eierstöcke
- Behandlung je nach Ursache: Hormonpräparate, Entzündungshemmer, operative Eingriffe
Was genau ist Androgenisierung?
Androgenisierung bezeichnet die vermehrte Bildung oder Wirkung männlicher Geschlechtshormone (Androgene) im weiblichen Organismus. Neben den weiblichen Hormonen Östrogen und Progesteron produziert der Körper auch geringe Mengen an Androgenen wie Testosteron, Androstendion und DHEA-S. Ein Überschuss dieser “männlichen” Hormone bei Frauen kann jedoch zu verschiedensten Problemen führen.
Häufig liegt der Androgenisierung eine Erkrankung wie das Polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) zugrunde, bei dem die Eierstöcke zu viele Androgene bilden. Aber auch Störungen der Nebennieren, gutartige oder bösartige Tumoren oder die Einnahme bestimmter Medikamente können eine verstärkte Androgenproduktion verursachen. Je nachdem, wie stark die Hormonverschiebung ausgeprägt ist, kommt es zu mehr oder weniger starken Androgenisierungserscheinungen.
Tipp: Lassen Sie Ihre Hormonwerte regelmäßig beim Frauenarzt kontrollieren, um eine Androgenisierung oder ersten Anzeichen eines Hirsutismus frühzeitig zu erkennen!
Die häufigsten Anzeichen einer Androgenisierung
Androgene beeinflussen zahlreiche Körperfunktionen und können sich auf Haut, Haare, Zyklus und Wohlbefinden auswirken. Typische Anzeichen einer Androgenisierung sind:
- Hirsutismus (männliches Behaarungsmuster): verstärkter Haarwuchs an “männlichen” Körperstellen wie Oberlippe, Kinn, Brust und Bauch, sog. Hypertrichose
- Akne (Pickel): unreine, entzündliche Haut im Gesicht, am Rücken oder Dekolleté, oft therapieresistent und hormonell bedingt
- Alopezie (Haarausfall): dünner werdendes Kopfhaar bis hin zu kreisrundem Haarausfall, sogenannte androgenetische Alopezie
- Seborrhö (Talgfluss): fettige, großporige Haut und Kopfhaut, vermehrte Schuppenbildung
- Zyklusstörungen: unregelmäßige oder ausbleibende Periode (Oligomenorrhö, sekundäre Amenorrhö), unerfüllter Kinderwunsch
- Akanthosis nigricans: dunkle, samtige Hautverdickungen in Hautfalten wie Nacken oder Achseln
- Stimmveränderungen: tiefere Stimmlage durch Vergrößerung des Kehlkopfes
- Klitorishypertrophie: Vergrößerung der Klitoris durch Androgenstimulation
Meist treten mehrere dieser Symptome einer Androgenisierung in Kombination auf. Oft kommen psychische Belastungen wie Scham, Unsicherheit und Depressionen durch Androgenisierung hinzu. Nicht immer sind äußere Anzeichen sichtbar – bei milderen Formen kann lediglich der Zyklus durch einen Androgenüberschuss unregelmäßig sein.
Vielfältige Ursachen für das Androgenüberschuss-Syndrom
In den meisten Fällen liegt der Androgenisierung das Polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) zugrunde. Dabei produzieren die Eierstöcke aufgrund einer Störung zu viele männliche Hormone und der Eisprung bleibt aus. Charakteristisch sind viele kleine “Zysten” in den Eierstöcken, sogenannte Follikelzysten bei PCOS. Etwa 5-10% aller Frauen sind von diesem Syndrom der polyzystischen Ovarien (PCO-Syndrom) betroffen.
Eine Nebennierenüberfunktion kann ebenfalls eine verstärkte Androgenbildung verursachen, wenn die Nebennieren übermäßig viele Hormone wie DHEA-S ausschütten. Dazu zählen das adrenogenitale Syndrom (AGS) oder seltene Nebennierentumoren mit Androgenproduktion. Auch antiandrogene Medikamente wie Anabolika, Testosteron-Präparate oder manche Antiepileptika können durch ihren künstlichen Androgeneffekt Virilisierungserscheinungen auslösen.
Seltener sind Erkrankungen der Hypophyse wie das Cushing-Syndrom oder androgenproduzierende Tumoren der Eierstöcke Ursache der Beschwerden. In manchen Fällen lässt sich kein eindeutiger Auslöser finden. Dann spricht man von idiopathischer Androgenisierung mit unklarer Ursache.
Neben genetischen Faktoren erhöhen auch Übergewicht, Diabetes und ein ungesunder Lebensstil mit viel Stress, wenig Bewegung und ballaststoffarmer Ernährung das Risiko für eine übermäßige Androgenproduktion. Hier kann jede Frau selbst vorbeugend aktiv werden.
Mögliche Komplikationen nicht unterschätzen
Neben den unmittelbaren Beschwerden kann Androgenisierung unbehandelt weitere gesundheitliche Probleme nach sich ziehen. Dazu gehören:
- Unfruchtbarkeit und ungewollte Kinderlosigkeit: durch Ausbleiben des Eisprungs und Veränderungen der Gebärmutterschleimhaut
- Diabetes mellitus Typ 2: erhöhtes Risiko durch verminderte Insulinempfindlichkeit bei dauerhaftem Androgenüberschuss
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Gefahr von Bluthochdruck, Arterienverkalkung und Herzinfarkt durch hormonelles Ungleichgewicht
- Gebärmutterschleimhautkrebs (Endometriumkarzinom): erhöhtes Risiko durch dauerhafte Östrogendominanz bei Androgenisierung
- Psychische Probleme und Depressionen wie Antriebslosigkeit, Essstörungen und sozialer Rückzug durch verändertes Aussehen
Umso wichtiger sind eine frühzeitige Diagnose der Androgenisierung und konsequente Behandlung des Androgenüberschuss-Syndroms, um Folgeerkrankungen zu vermeiden. Scheuen Sie sich nicht, auch unangenehme oder peinliche Symptome beim Arzt anzusprechen!
Woran der Arzt eine Androgenisierung erkennt
Wenn Sie den Verdacht auf eine Androgenisierung haben, ist der erste Anlaufpunkt der Frauenarzt oder Endokrinologe (Hormonexperte). In einem ausführlichen Gespräch (Anamnese) wird er Sie zunächst nach Ihren Beschwerden, Vorerkrankungen, Medikamenten und der familiären Vorbelastung für hormonelle Störungen befragen.
Bei der körperlichen Untersuchung achtet der Arzt auf sichtbare Androgenisierungszeichen wie Akne durch Androgenüberschuss, ungewöhnliche Behaarung oder eine vergrößerte Klitoris. Mittels transvaginalem Ultraschall (Vaginalsonografie) lässt sich feststellen, ob die Eierstöcke vergrößert sind und viele kleine Zysten aufweisen – ein Hinweis auf PCOS mit polyzystischen Ovarien.
Eine Hormonuntersuchung im Blut gibt Aufschluss über die Spiegel von Testosteron, DHEAS, Androstendion und anderen Androgenen. Oft wird auch das Verhältnis von LH zu FSH bestimmt, um die Regulation der Eierstöcke zu überprüfen. Bei erhöhten Werten folgen meist weitere Hormonanalysen, um die genaue Androgenisierungsursache einzugrenzen. Manchmal wird zusätzlich ein ACTH-Test durchgeführt, um eine Nebennierenüberfunktion mit gesteigerter Androgenproduktion auszuschließen.
Bei unklaren Befunden oder Verdacht auf einen androgenbildenden Tumor können bildgebende Verfahren wie CT, MRT oder spezielle Ultraschalluntersuchungen nötig sein. In seltenen Fällen wird eine Gewebeprobe (Biopsie) aus Eierstock oder Nebenniere entnommen. So lässt sich die Diagnose Androgenisierung Schritt für Schritt eingrenzen.
Individuelle Behandlung je nach Ursache und Beschwerdebild
Die Behandlung einer Androgenisierung richtet sich nach der zugrundeliegenden Ursache des Androgenüberschusses und den vorhandenen Androgenisierungssymptomen. Ziel ist es, die Androgenspiegel im Blut zu senken, den Zyklus zu regulieren und kosmetisch störende Beschwerden zu verbessern.
Hormonelle Therapie der Androgenisierung: Die wichtigste Säule ist meist eine Behandlung des Androgenüberschusses mit Hormonen wie Anti-Androgenen und niedrig dosierten Östrogenpräparaten, z.B. als Antibabypille. Damit lässt sich die Androgenproduktion der Eierstöcke drosseln und Beschwerden spürbar lindern. Cyclische Gestagene gleichen den Zyklus aus und wirken einer Östrogendominanz entgegen, z.B. bei PCOS.
Hausmittel und Pflegetipps bei Androgenisierung: Gegen Hautprobleme helfen oft schon einfache Hausmittel wie antibakterielle Gesichtsmasken mit Teebaumöl oder Weizengras, aber auch Produkte mit Salizylsäure oder Benzoylperoxid. Eine milde, ölfreie Pflege mit nicht komedogenen Produkten beruhigt die Haut zusätzlich. Mitesser lassen sich mit einem BHA-Peeling sanft entfernen.
Haarentfernung bei Hirsutismus durch Androgenüberschuss: Bei störendem Haarwuchs im Gesicht oder an androgensensiblen Körperstellen bieten sich verschiedene Techniken an – von der klassischen Epilation mit Halawa oder Wachs über das Rasieren und Bleichen bis hin zur dauerhaften Laserepilation. Finden Sie die Methode, die für Sie am besten funktioniert und regelmäßig durchführbar ist.
Lebensstiländerungen bei Androgenisierung: Ein insgesamt gesünderer Lebensstil mit viel Bewegung, ausgewogener Ernährung und Stressabbau kann Symptome einer verstärkten Androgenproduktion verbessern. Besonders bei PCOS mit Übergewicht ist dieses Lifestyle-Management wichtig und sollte die medikamentöse Therapie ergänzen. Abnehmen, Blutzuckerregulation und Entspannungstechniken sind hier zentrale Bausteine.
Operative Eingriffe bei ausgeprägter Androgenisierung: In seltenen Fällen ist die operative Entfernung von androgenbildenden Zysten oder Tumoren nötig. Eine Eierstockbohrung (LOD) kann die Hormonproduktion der Ovarien regulieren und den Zyklus normalisieren – im Idealfall werden Patientinnen danach sogar schwanger.
Im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung bei PCOS und Androgenisierung-bedingter Unfruchtbarkeit kommen teils auch Maßnahmen wie die Stimulationstherapie oder künstliche Befruchtung zum Einsatz, um die fruchtbaren Tage optimal zu nutzen.
Wichtig ist, dass Sie als Betroffene gut informiert sind und gemeinsam mit dem Arzt die für Sie passende Behandlungsstrategie gegen den Androgenüberschuss entwickeln. Oft ist eine Kombination verschiedener Ansätze am wirkungsvollsten.
So können Sie einer Androgenisierung vorbeugen
Nicht immer lässt sich eine Androgenisierung ganz verhindern – genetische und erworbene Ursachen spielen eine Rolle. Doch mit der richtigen Vorsorge können Sie Ihr persönliches Risiko für eine übermäßige Androgenproduktion senken und Symptomen entgegenwirken. Die besten Stellschrauben für ein ausgeglichenes Hormonsystem:
- Gesundes Gewicht halten: Übergewicht begünstigt Insulinresistenz, Typ-2-Diabetes und hormonelle Störungen wie PCOS. Mit einem normalen BMI tun Sie viel für Ihre Hormonbalance und beugen Androgenisierungserscheinungen vor.
- Ausgewogene Ernährung: Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse versorgen Sie mit wichtigen Nährstoffen und Ballaststoffen, die den Insulinspiegel stabilisieren. Meiden Sie stark verarbeitete Lebensmittel, Zucker und schlechte Fette – sie können den Hormonhaushalt durcheinanderbringen.
- Regelmäßige Bewegung: Sport, vor allem Ausdauertraining wie Laufen, Radfahren oder Schwimmen, reguliert den Stoffwechsel und das Hormonsystem. Schon 30 Minuten moderate körperliche Aktivität täglich können Androgenisierungssymptome lindern und Ihr Wohlbefinden verbessern.
- Stressmanagement: Dauerstress bringt nicht nur die Hormone durcheinander, sondern beeinträchtigt das gesamte Wohlbefinden. Bauen Sie Entspannungspausen und Stressabbau-Rituale wie Yoga, Meditation oder Achtsamkeitsübungen in Ihren Alltag ein. So werden Sie mental und hormonell widerstandsfähiger.
- Hormonelle Verhütung: Die Antibabypille ist nicht nur Verhütungsmittel, sondern kann auch vorbeugend oder symptomlindernd bei Androgenisierung wirken. Fragen Sie Ihren Frauenarzt nach geeigneten Präparaten mit antiandrogener Zusatzwirkung.
- Naturheilkundliche Unterstützung: Manche Heilpflanzen und Nahrungsergänzungsmittel können die Hormonbalance fördern und übermäßiger Androgenproduktion entgegenwirken. Mönchspfeffer, Sägepalme und Zink gelten als hilfreich – lassen Sie sich individuell in der Apotheke oder Naturheilpraxis beraten.
- Regelmäßige Vorsorge-Check-ups: Indem Sie einmal jährlich zur gynäkologischen Kontrolle gehen, erkennen Sie hormonelle Störungen oder Zyklusveränderungen frühzeitig. So können Sie einer Androgenisierung rechtzeitig gegensteuern und Folgeprobleme vermeiden.
Auch mit einer gesunden Portion Selbstliebe und Achtsamkeit für den eigenen Körper lässt sich der Alltag mit Androgenüberschuss leichter meistern. Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen aus, holen Sie sich Unterstützung im Freundeskreis und scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Sie sie brauchen.
Ein Wort zum Abschluss
Androgenisierung ist eine häufige hormonelle Störung, die das Leben vieler Frauen beeinträchtigt. Doch mit der richtigen Behandlung, Begleitung und Eigenfürsorge lassen sich die Beschwerden gut in den Griff bekommen. Haben Sie keine Scheu, über Symptome wie ungewollten Haarwuchs, hartnäckige Akne oder Zyklusprobleme mit Ihrem Arzt zu sprechen.
Je früher eine Androgenisierung erkannt und konsequent therapiert wird, desto besser lassen sich Folgeprobleme wie Unfruchtbarkeit vermeiden und Ihr Wohlbefinden steigern. Mit einer Kombination aus Hormontherapie, Lifestyle-Anpassungen und ganzheitlichen Maßnahmen können Sie trotz des Androgenüberschusses ein erfülltes und hormonell ausgeglichenes Leben führen.
Scheuen Sie sich nicht, auch psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen, wenn Sie merken, dass die Androgenisierungsbeschwerden Sie seelisch belasten. In Selbsthilfegruppen und Frauen-Netzwerken finden Sie Verständnis und wertvolle Tipps von anderen Betroffenen.
Vor allem aber ist es wichtig, sich durch die Androgenisierung nicht entmutigen zu lassen. Sie sind nicht allein und es ist keine Schande, an dieser Hormonstörung zu leiden. Mit der richtigen Behandlung, etwas Geduld und einer Portion Selbstliebe werden Sie Ihren ganz persönlichen Weg finden, um sich auch mit einem Androgenüberschuss rundum wohlzufühlen. Alles Gute auf diesem Weg!
Weiterführende Quellen und Links
- Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) zur Diagnostik und Therapie des Polyzystischen Ovarsyndroms (PCOS) https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-081.html
- Patientenratgeber des Hormonzentrums München zu Androgenisierung und PCOS https://www.hormonzentrum-muenchen.de/erkrankungen/androgenisierung/
- Selbsthilfe-Netzwerk “PCOS-Mädels” mit Erfahrungsberichten und Austausch https://pcosmaedels.de/
- Informationen der Deutschen Haut- und Allergiehilfe (DHA) zum Thema Akne und hormonelle Einflüsse https://www.dha-akne.de/hormoneinfluesse.html